Die BIH mit Sitz in Berlin hat mehrere Tochtergesellschaften mit 460 Mitarbeitern und ist ein Immobilienkonzern; einziger Gesellschafter der BIH ist das Land Berlin. Die BIH hat in derzeit knapp 600 Objekten 41.100 Mieteinheiten mit einem Mietvolumen von 417 Mio. Euro pro Jahr, davon 38.300 Wohnungen und 2.800 Gewerbeeinheiten. Dies sind zumeist fondsfinanzierte Immobilien des sogenannten Bankenskandals der 90´er Jahre, in die auch aufgrund fragwürdiger Mietzusagen investiert wurde. Die Fonds sind rechtlich selbst (Tochter)Gesellschaften, so dass die Immobilien – wie bei all unseren anderen Wohnungsbaugesellschaften – uns nur mittelbar gehören.
21.000 Wohnungen liegen in Berlin davon 14.000 mit unbefristeten Mietverhältnissen und etwa 7.000 Wohnungen zur temporären Nutzung, meist als Studentenapartments, wie die riesige Anlage in der Sewanstraße in Lichtenberg oder in Neukölln. Die meisten Wohnungen liegen in Marzahn-Hellersdorf (5733), Lichtenberg (2959), Neukölln (2553), Spandau (2414) und Pankow (2119). Die BIH hat eine geringere Gewerbequote als die HOWOGE und eine geringere Leerstandquote in Berlin, als die übrigen Mitbewerber.
Auf den BIH-Immobilien lasteten 2009 noch Kreditverbindlichkeiten von etwa 4,4 Milliarden Euro. Das Land schirmt diese Kredite und o.g. Mietzusagen zugunsten der Fondsteilhaber ab, springt also ein, soweit die jeweilige Immobilie selbst den zugesagten Ertrag nicht abwirft. Inzwischen haben wir unseren Anteil an den BIH Fonds auf fast 100Prozent erhöht und dafür über 2 Milliarden Euro bezahlt, denn je höher unser Anteil an diesen Fondsgesellschaften ist, desto geringer ist das restliche Abschirmungsrisiko des Landes Dritten gegenüber. Faktisch haben wir damit Immobilien aus Privatbesitz gekauft, also kommunalisiert. Die BIH erwirtschaftet seit Jahren nach vollständigem Schuldendienst und trotz positiver oder negativer Einmaleffekte Konzernüberschüsse, zuletzt von 18 Millionen Euro. Auch mittelfristig prognostiziert die BIH über 2014 hinaus Konzernüberschüsse.
Finanzsenator Nußbaum will nun vorschlagen, die BIH zu privatisieren, also nicht nur den Anteilserwerb des Landes rückgängig zu machen, sondern die BIH komplett zu verkaufen. Die Kerndaten des geplanten Geschäfts werden öffentlich in den Zeitungen diskutiert:
Sie soll zunächst zu knapp 95 Prozent an die 2009 von 3 ehemaligen Investmentbankern gegründete Altyon LLP aus London und andere Investoren aus Luxemburg verkauft werden, die von der Presse als dubios eingestuft wurden. Die Altyon LLP ist nach eigenen Angaben auf Notverkäufe spezialisiert und erwartet Renditen von mindestens 12 Prozent. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir von einer der zumeist deutschen BIH-Gläubigerbanken aus den etwaigen Restabschirmungsrisiken in Anspruch genommen werden, sollen wir uns aus einer Bankgarantie der 2008 gegründeten Al-Hilal-Bank, die dem ADIC-Fonds aus Abu Dhabi gehört und von sich selbst angibt, den Grundsätzen der Scharia zu folgen, schadlos halten können. Die deutschen Gläubigerbanken haben es abgelehnt, diese Bank an unserer Stelle als abschirmenden Garanten zu akzeptieren, so dass wir nach wie vor im Risikofall in Anspruch genommen werden und dann versuchen können, gegen die Al-Hilal in Abu Dhabi vorzugehen. Insoweit trügen wir dann zusätzlich das Insolvenz- und das Abwicklungsrisiko dieser Bank und müssten auf politische Entscheidungen des haltenden Fonds (ADIC) und sodann des besitzenden Staats (Abu Dhabi) zu unseren Gunsten vertrauen.
In der Berliner SPD werden Bedenken gegen diese Privatisierung laut. Wie sich Die Linke zu dieser Privatisierung von 40.000 Wohnungen verhalten wird, ist erstaunlicherweise offen. Einigkeit besteht, dass die Immobilien außerhalb Berlins verwertet werden können, wobei allerdings der Minderheitenschutz zugunsten der restlichen Fondszeichner dies angeblich erschwert. Inzwischen besteht zwar zudem Einigkeit, dass wegen unserer fast 100Prozentigen Anteilsquote an den Fondsgesellschaften die Bankenskandalabschirmung nicht mehr fremdrisikorelevant ist, denn wir sichern zu fast 100 Prozent unser eigenes Eigentum. Die BIH-Immobilen seien aber bisher lediglich schadensbegrenzend, nicht jedoch immobilienwirtschaftlich verwaltet worden. Ab 2012 müssten wir zu einer Ertüchtigung der Immobilien jährlich aus dem Haushalt zuschießen, wobei die behaupteten Zahlen von 56 Mio. bis 300 Mio. Euro schwanken. Die BIH habe nur Schrottwert und sei ein Fass ohne Boden. Experten hätten bestätigt, dass die BIH weniger wert sei, als deren Kreditverbindlichkeiten, wobei die hier behaupteten Zahlen von 90 Mio. bis 170 Mio. Euro schwanken. Wichtig sei auch, unter den Bankenskandal einen Schlussstrich zu ziehen. Und wer der Privatisierung kritisch gegenüber stünde, täte das ideologisch.
Aber genau diesbezüglich dürfen wir uns nicht einseifen lassen. Das sog. argumentum ad verecundiam, also das Verstecken hinter angeblichem Expertenwissen, ist ein typischer Trick, Debatten wegzudrücken. Wer durch solche Allgemeinplätze eine qualifizierte Auseinandersetzung mit politischen, fiskalischen und betriebswirtschaftlichen Argumenten vermeiden will, argumentiert in Wahrheit ideologisch und zockt in diesem Fall mit erheblichen Vermögenswerten der Allgemeinheit. Den Bankenskandal von vor 10 Jahren, bei dem die Berliner SPD verhältnismäßig "glimpflich" davon gekommen ist, erneut zu fokussieren, kann nur den politischen Mitbewerbern nutzen. Jedenfalls ist den Berlinerinnen und Berlinern viel wichtiger, ob und wer ihre Wohnungen privatisiert. Denn mit Privatisierungen haben die Berlinerinnen und Berliner keine guten Erfahrungen gesammelt. Wasser-, Strom- und Gaspreise sind rasant gestiegen. Die Post schließt Filialen. Und dass die S-Bahn aufgrund eines brutalen Sparkurses solche Schwierigkeiten hat, bezeichnet inzwischen eine große Mehrheit als das wichtigste Berliner Problem.
Und da liegt zugleich die strategische Glaubwürdigkeitsfalle unserer Partei, die sich das diametrale Gegenteil von Privatisierung auf die Fahnen geschrieben hat und die viele Privatisierungen der Vergangenheit heute als Fehler einstuft und den Mieterschutz zu einem politischen Schwerpunkt erklärt. Dies ist auch hinreichendes und ausschließlich ideologisches Kalkül einiger, vehement für diese Privatisierung einzutreten. Sie wollen nicht zugestehen, dass diese Privatisierungspolitik ein Fehler war. Und was im Austausch von Argumenten nicht gelingt, schafft die Macht des Faktischen. Niemand nimmt uns einen Strategiewechsel in Bezug auf den Umgang mit dem Eigentum des Landes ab, wenn wir nun eine solche Privatisierung durchführten und Partei der Widersprüchlichkeit zwischen Wort und Tat würden.
Und deshalb soll eine Auseinandersetzung mit den handgreiflichen fiskalischen und betriebswirtschaftlichen Argumenten gegen diese Privatisierung vermieden werden:
Ausgangspunkt einer jeden Privatisierung von kommunalem Eigentum muss schon von Gesetzes wegen deren Wirtschaftlichkeit sein. Die seinerzeitigen Versuche, im Rahmen der sog. PPP-Debatte die Beweislast für wirtschaftliche Nützlichkeit von den Privaten auf den Staat umzukehren, sind politisch zurück gewiesen worden. Und so verhält es sich auch hier; derjenige muss den wirtschaftlichen Vorteil einer Privatisierung dezidiert darlegen und nachweisen, der sie will und nicht umgekehrt. Und wenn wir politisch grundsätzlich gegen Privatisierungen von Staatseigentum sind, genügt eine solche Darlegung nicht, sondern es müssen zwingende Gründe hinzutreten. Solche Gründe sind in zwei Richtungen denkbar und das ist insoweit auch unstreitig:
Entweder wir erzielen einen so überragenden Kaufpreis, der eine Ablehnung der Privatisierung unvertretbar erscheinen ließe. Oder es handelt sich um einen tatsächlichen Notverkauf, was der Fall sein könnte, wenn so rote Zahlen geschrieben würden, dass eine Ablehnung der Privatisierung trotz der politisch-strategischen Grundausrichtung im Umgang mit Landesvermögen unvertretbar erschiene.
Daran ist zunächst bemerkenswert, dass wir unser eigenes Eigentum als Schrott bezeichnen und dessen Wert klein rechnen; so geht ein potentieller Verkäufer eigentlich nicht vor. Was wir uns selbst für die Aufstockung unserer Fondsanteile haben mehr als 2 Milliarden Euro kosten lassen, soll uns nun einen Kaufpreis von zunächst 67 Mio. Euro einbringen. Dabei gibt der Senat im Internet den Wert der BIH mit 4,1 Mrd. Euro an, es könnten aber auch 5 Mrd. Euro sein, eine bemerkenswerte Spreizung. Die Immobilienwirtschaft feiert derzeit Preissteigerungen für Verkäufe um 10Prozent auf den bundesdurchschnittlich 15fachen Jahresmietwert, Tendenz auch 2011 steigend. Demnach wäre die BIH über 6 Mrd. Euro wert. Ursprünglich wurden in die BIH-Fonds sogar 9,3 Mrd. Euro investiert. An dieser Stelle ist es natürlich absurd unzureichend, unter Hinweis auf die Bewertungsmethode IAS habe man den geringen Wert von 4 Mrd. Euro ermittelt, ohne eine einzige Immobilie einer Bewertung nach §§ 194, 199 BauGB und WertV unterzogen zu haben. Das gilt natürlich erst recht, wenn man umgekehrt aber angeblich genau wissen will, wie viel Geld in diese nicht betrachteten Immobilien zu investieren sei, um sie zu ertüchtigen.
Ferner sollen wir zwar 67 Mio. Euro Kaufpreis erhalten. Umgekehrt sollen wir aber 224 Mio. Euro an den Käufer zahlen, damit der die letzten verbliebenen Miteigentümer auskaufen kann. Zudem hatte der BIH-Konzern 2009 Bankguthaben von 171 Mio. Euro und Forderungen aus Darlehensvergaben wegen überschießender Liquidität von 210 Mio. Euro, die beide dem Käufer mitgegeben werden. Wir stellen ihm also nicht nur den Kaufpreis selbst zur Verfügung. Wir legen sogar noch kräftig drauf. Und schließlich räumen wir auch noch dezidiert ein, derzeit nur 94,9 Prozent zu privatisieren, um gesetzliche Grunderwerbssteuer zugunsten des "Investors" "zu vermeiden". Diese Landessteuer betrüge je nach Wert der BIH zwischen 200 Mio. und weit über 400 Mio. Euro. Da verwundert natürlich nicht, dass der Investor seinen Geldgebern im Hintergrund Renditen von 12 Prozent zusagen kann.
Diese Zahlen des Jahres 2009 sind im Geschäftsbericht der BIH nachlesbar.
Die Zahlen für 2010 bleiben unklar und sollen auch keine Rolle spielen, was dadurch erreicht wird, dass das Geschäftsjahr 2010 flugs um 3 Monate durch Beschluss verlängert wurde. Allerdings wissen wir, dass Verkäufe aus betriebswirtschaftlichen Gründen vorgenommen werden und dagegen gerichtete Klagen der Minderheiten gescheitert sind. Diese Minderheiten haben aber nicht nur geklagt, sondern sich zugleich als Kaufinteressenten für die angeblichen Schrottimmobilien beteiligt. Wir wissen ferner, dass 2010 aus Zinsgeschäften Millionengewinne erwirtschaftet wurden und die BIH bereits abgeschriebene Mietansprüche im hohen Millionenbereich doch realisiert.
Der erste Fall eines verlockenden Kaufpreises liegt jedenfalls nachweislich nicht vor.
Der zweite Fall der schlimmen roten Zahlen wird mit der Behauptung "Fass ohne Boden" unterstellt. Die Behauptung, die BIH sei nicht immobilienwirtschaftlich aufgestellt und investiere nur zur Not ist nicht haltbar. Die BIH investierte bereits 2009 41,7 Mio. Euro, das sind in Prozent mehr in ihre, als wir selbst im Land in unsere Immobilien und zwar wertsteigernd und nachhaltig. Die BIH geht von Investitionskosten bis 2020 von jährlich 56 Mio. Euro aus. Damit ist das Restrisiko exakt 15 Mio. Euro groß. Dieses Risiko besteht überall in Berlin und unterliegt natürlich einer politischen Priorisierung. Der etwaige Verteilungskampf "Tankstelle Sangerhausen" versus "Schule im Wedding" geht aber sicherlich nicht unentschieden aus.
Ein Londoner Menschenfreund will uns also von dem Risiko entlasten entscheiden zu müssen, ob wir einen Supermarkt in Heidelberg oder ein Studentenwohnheim in Lichtenberg ertüchtigen und unsere 40.000 BIH-Wohnungen kaufen. Aus großer Dankbarkeit erlassen wir diesem Menschenfreund nicht nur die 2 Mrd. Euro, die wir uns den Ankauf von BIH-Anteilen selbst haben kosten lassen. Wir stellen auch noch den Kaufpreis von 67 Mio. Euro als Bankguthaben selber zur Verfügung. Und weil sich das für den Steuerzahler auch lohnen soll verzichten wir zudem auf Steuereinnahmen und geben Bankguthaben und Forderungen gegen Dritte in jeweils dreistelliger Millionenhöhe mit. Aber keine Angst: Die 20.000 Berliner Wohnungen kaufen wir dann vom Menschenfreund zurück, für weitere 2 Mrd. Euro, die wir nicht haben. Wir haben in Berlin "sale and lease back" gesetzlich ausgeschlossen. Dieses "sale and buy back" würde an allen finanzpolitischen Stammtischen Geschichte schreiben. So sehr ließe sich nicht einmal Renate Künast einseifen.